Seit vielen Jahren träume ich davon, wilde Moschusochsen zu sehen und zu fotografieren. Diesen Spätsommer erfüllte ich mir diesen Traum im Süden Norwegens...
Nachdem mein Roadtrip nach Norwegen am 18. August, Morgens um 5:00 im schönen Aargau startete, war mein erstes festes Ziel der Dovrefjell Nationalpark.
Bevor ich dort landete, waren natürlich einige Stopps und Übernachtungen nötig, denn es gab gute 2000km zurückzulegen. Glücklicher Weise säumten schon viele wunderbare Motive wie zB. die Lüneburger Heide den Weg bis zum Dovrefjell.
Bereits am 20. August fuhr ich mit meinem VW Bulli in Hirtshals auf die Fähre, voller Hoffnung und Freude auf das Ungewisse der kommenden zwei Monaten.
Nach weiteren Zwischenhalten im Jotunheimen Nationalpark kamen die weiten Ebenen des Dovrefjell und Rondane Gebietes immer näher. Die Landschaft veränderte sich mit jedem Kilometer und die schiere Dimension dieser urigen Gegend lies mich ein erstes Mal schaudern. Noch nie zuvor hatte ich so weite und offene Flächen gesehen, nicht einmal in Island. Dieses Gefühl sollte sich in den nächsten Tagen noch verstärken.
Die erste Frage die sich mir bei der Ankunft am Parkplatz in Kongsvoll stellte, war "Wie um Himmelswillen soll ich in dieser schier endlosen Landschaft die Moschusochsen finden?" Aus der langen und intensiven Recherche zeigte sich eine Tendenz, in welchen Ecken sie sich aufhalten. Mehr als eine Tendenz kann es gar nicht geben, da es sich um wilde, frei lebende Tiere handelt.
Etwas skeptisch aber voller Neugier packte ich meine sieben Sachen, inkl. Ausrüstung für eine Nacht im Freien und verliess die Zivilisation. Laut Berichten sollen die Ochsen teils bis zur Strasse herunter kommen und sich gelegentlich in den Birkenwäldern aufhalten. Mit wachsamem Blick brachte ich bald den Wald und die dazugehörige Vegetationsstufe hinter mich, ohne auch nur einem wilden Tier zu begegnen. Erst einmal auf der Anhöhe angekommen wo sich der Moschusochsen Trail teilt, ja so heisst der Wanderweg offiziell, erkenne ich das schiere Ausmass des Nationalparks. Der Teil, in dem ich mich befinde und den ich überblicken kann, macht nur etwa einen Drittel der gesamten Fläche aus. Dieses Wissen alleine trieb mir Gänsehaut auf die Arme.
Nach einem kurzen Stopp ging es weiter, ich entschied mich für den Weg entlang dem Stropla Fluss in Richtung Snøhetta. Immer mit den Augen am Feldstecher probierte ich Ochsen zu erspähen, in den meisten Fällen waren die vermeintlichen Tiere jedoch gigantische Felsbrocken. Das Flimmern der Nachmittagsluft erschwerte es zusätzlich auch nur irgendetwas zu entdecken. Mit jeder Stunde wurde ich dankbarer, mir diesen Sommer einen 10x40er Feldstecher geleistet zu haben und nicht den 8x40er den ich im Auge hatte. Die Distanzen hier sind unglaublich und mit weniger Weitsicht ist es fast aussichtslos die Ochsen zu identifizieren.
Nach etwas mehr als 3 Stunden kam der Grosse Moment, eine ganze Herde von neun Tieren erschien im Blickfeld!
Aus den drei Kilometern Entfernung waren da natürlich keine Einzelheiten ersichtlich, lediglich die dunkelbraunen Punkte, die sich dieses Mal auch tatsächlich bewegten, nicht wie die unzähligen Steine davor...
Zu meinem Leidwesen durfte ich die ganze bisher gelaufene Strecke wieder zurück marschieren, denn die Tiere befanden sich exakt auf der gegenüber liegenden Seite und hinter einem Hügel versteckt. Im Wissen das es zu Fuss einiges mehr als 3km werden beschloss ich dennoch das Risiko einzugehen und machte mich auf den Weg. Schon ziemlich bald verschwand die Herde aus meinem Sichtfeld und ich musste mir nach Gefühl den Weg suchen. Immer in der Hoffnung die Ochsen seien auch nach meiner Ankunft noch in zugänglichem Gelände, steuerte ich auf die Kuppe zu, an der ich den letzten Sichtkontakt hatte.
Nach bald 2 Stunden erreichte ich endlich die angepeilte Stelle und konnte vor Aufregung kaum mehr ruhig atmen. Was verbirgt sich wohl direkt dahinter auf der kleinen Hochebene?
Nichts.
Nicht der kleinste Hauch von einem Lebewesen, einzig eine dürre Steppe und der sanft darüber hinweg ziehende Wind. Das kann doch nicht sein, denke ich mir und setze mich hinter das Kartenmaterial. Mit dem Wissen dass die Ochsen pro Tag ca. sechs Kilometer zurücklegen, beginne ich einen Radius einzugrenzen, der durch die Geländeform nochmal etwas kleiner wird. Mit den an die 20kg auf dem Rücken war es nur noch eine Frage der Zeit, bis mir die Energie aus geht, aber ich gab nicht auf und lief weiter. Von einer Kuppe zur nächsten Kuppe und von dort zur übernnächsten Kuppe. Plötzlich hörte ich jedoch etwas und kann mein Glück kaum fassen, als sich direkt vor mir zwei Bullen hinterherjagen und es von dem Getrappel nur so donnert!
Die neun Tiere verteilten sich in einer Senke, wodurch es mir möglich wurde relativ nah an die Tiere heran zu kommen, ohne sie dabei zu stören. Die ersten Minuten sass ich bloss da und genoss den majestätischen Anblick dieser urzeitlichen Tiere.
Sichtlich mit der drückenden Hitze kämpfend, lagen sie dort in der Senke und versuchten nicht zu viel Energie zu verbrauchen, bevor sie gegen den Abend hin zum Schlafplatz aufbrachen.
Stets mit gebührendem Abstand lief ich mit ihnen mit, fotografierte und genoss den Anblick.
Als die Zeit kam, stellte ich mein Tarp mit gebührendem Abstand auf und fiel ins Land der Träume. Da ich nicht genau wusste wann und ob die Tiere am Morgen aufbrechen, stellte ich mir über eine Stunde vor Sonnenaufgang den Wecker, was sich als durchaus lohnenswert herausstellte. Kurz nachdem mich der Wecker aus dem Schlaf riss, hörte ich rund um mein Tarp Geräusche und ein vermeintliches Schnauben.
Kann das sein, steht da wirklich ein Moschusochse direkt neben mir?!
JA! Kaum zu glauben, aber da stand tatsächlich keine zwei Meter neben mir einer der Ochsen und begutachtete meinen Schlafplatz. Da ich wusste wie schnell die Tiere auf Verteidigung umschalten und dann angreifen können, verharrte ich so ruhig wie nur möglich im Schlafsack, denn diese Begegnung hätte fürchterlich enden können!
Nach wenigen Minuten schien das gelbe Geflatter meiner Unterkunft nicht mehr interessant genug zu sein und der Ochse drehte ab und lief davon. Im Wissen das da noch acht weitere irgendwo unterwegs sind, bewegte ich mich mit höchster Vorsicht um nicht zur Zielscheibe zu werden.
Als ich bereits acht Tiere in der Dämmerung ausmachen konnte, schien es mir, als wäre die Luft rein, denn es wurde still rund um mich herum.
Frisch fröhlich zog ich mich an und begann alles reisefertig zu machen was ich benötigte. Das Camp würde ich aus Zeitgründen noch stehen lassen und später zurückkehren. Schon fast in Gedanken und Bildideen für den Sonnenaufgang versunken kroch ich unter dem Tarp hervor, als es plötzlich unmittelbar vor mir schnaubte und die Luft vibrierte. Zu meinem grossen Glück war das Gelände um mich herum stark terrassiert, sodass der letzte Ochse der Herde direkt unter mir stand und nicht auf Augenhöhe! So lief er seelenruhig unter mir durch, wohl ohne überhaupt von mir Kenntnis genommen zu haben.
Nach diesem letzten Schrecken und einer kurzen Verschnaufpause ging auch mein Tag los und es entstanden folgende Bilder.
Die Tage im Dovrefjell waren ein voller Erfolg und hielten soviel mehr für mich bereit als ich mir je vorstellen konnte. Nach den zwei Tagen rund um diese Herde, kehrte ich zum Auto zurück und verbrachte eine Nacht im Camper, nur um in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages erneut los zu ziehen.
In der Hoffnung weitere Tiere und andere Teile des Parks zu entdecken, entschloss ich mich für einen Pfad ganz im Süden des Parks. Zwar kam es nur noch zu einer "nahen" Begegnung mit einem jungen Bullen, dennoch erspähte ich auf meiner 18km langen Tour sage und schreibe 27 Tiere!
Müde und überglücklich beendete ich auch den zweiten Ausflug zurück beim Camper und machte mich daran den weiteren Verlauf meiner Reise zu planen.
Dazu dann mehr im nächsten Blog....
Während ich diese Zeilen schreibe, befinde ich mich 1400km weiter nördlich des Dovrefjells, nämlich in den Lyngen Alpen. Ich hoffe der Beitrag und die Bilder haben euch gefallen und ihr seid auch bei den folgenden Geschichten rund um Norwegen und meine Abenteuer dabei!
Liebe Grüsse, Lukas
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